Poetisch und abenteuerlich zugleich: In seinem Buch „Berlin – Moskau. Eine Reise zu Fuß“ erzählt Wolfgang Büscher auf feinfühlige Art von seiner beschwerlichen Wanderung von der deutschen in die russischen Hauptstadt.
Jahrzehntelang waren Reisen nach Osteuropa nur schwer möglich. Dass sich das Interesse an diesem Teil unseres Kontinents auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs dennoch relativ in Grenzen hält, verwundert daher. Einer, der die Reise auf sich nahm, ist der Journalist Wolfgang Büscher.
Eine historische Route
Im Sommer 2001 machte er sich auf den Weg von Berlin nach Moskau. Das besondere daran: Die 2500 Kilometer lange Strecke legte er zu Fuß zurück. Dabei folgt er den Spuren des Russlandfeldzuges Napoleons 1812 beziehungsweise der deutschen Heeresgruppe Mitte in den Jahren 1941 bis 1945.
„Der Osten ist etwas, das keiner haben will. (…) Hatte ich in Brandenburg gefragt, wo der Osten anfange, war die Antwort gewesen: drüben in Polen natürlich. Fragte ich in Polen, hieß es: Der Osten fängt in Warschau an, naja, im Grunde gehört Warschau schon dazu. Man versicherte mir, Ostpolen und Westpolen, das könne man nun wirklich nicht vergleichen (…) Östlich von Warschau stand die Antwort wiederum außer Zweifel: einfach die Landstraße nach Bialystok hoch. Alles, was links von ihr liegt, westlich, ist katholisch, mithin gut polnisch. Was rechts von ihr liegt, ist weißrussisch-orthodox.“
Seine Tour führt ihn mal entlang der Autobahn, mal durch kleine Dörfer. Er ist bei Wind und Wetter unterwegs, oft nur mit einem Schokoriegel als Proviant ausgestattet. Oft weiß er nicht, ob am Ende des Tages eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden ist.
Dabei macht er einen Abstecher nach Tschernobyl und besucht einen mystischen Wald mit roten Bäumen. Er kommt durch glanzvolle wie auch heruntergekommene Städte.
„Ja, doch, der Osten ist ein Geschichtengrab, ein Tagbau des Tragischen, der Stoff liegt dicht unterm Gras, er ist wirklich roh, unbearbeitet, ungeschliffen. In seiner amoralischen Schönheit hat er mehr Ähnlichkeit mit bizarren Sagen als mit erbaulichen Fabeln, die eine nach Moral dürstende Zeit favorisiert.“
Bei seiner Wanderung erfährt Büscher das Land auf intensive Weise. Dazu tragen aber vor allem die zahlreichen Begegnungen mit den Menschen bei. Seien es Nachfahren der Besitzer polnischer Gutshöfe, weißrussische Museumsdirektorinnen, sibirische Yogis oder ein Liquidator, der nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zum Einsatz kam.
Das Land und seine Menschen
Das ist mitunter skurril, gibt aber tiefe Einblicke in die Geschichte der Länder, die Mentalität und Lebensweise. Und mag der Ort oder die Situation noch so trostlos sein, mit seinem Schreibstil verleiht er dem Ganzen immer ein Hauch Poesie.
Fazit: Eine poetisch geschriebener Reisebericht, der dem Leser eine realistische Sichtweise auf Osteuropa vermittelt.
Mehr Infos: Auf Literaturkritik.de gibt es ein Interview mit Autor Wolfgang Büscher https://literaturkritik.de/id/9674
Wolfgang Büscher: Berlin – Moskau: Eine Reise zu Fuß, Rowohlt 2003, 240 Seiten
Das hört sich sehr spannend an, sobald die Buchhandlungen wieder öffnen dürfen hol ich mir das. Danke für den Tipp – weiter so
Vielen Dank für den Kommentar! Das Buch ist wirklich zu empfehlen.
Klingt sehr reizvoll und nach der Lektüre kommt das Fernweh… Macht Lust -hoffentlich- bald wieder zu reisen.
Bis es soweit ist müssen wir uns eben mit Gedankenreisen zufrieden geben 🙂