Bebilderung Rezension von "Abgeholt"

Eine Journalistin recherchiert das Schicksal ihrer Großmutter und stößt auf eine tragische Geschichte. „Abgeholt. Meine Großmutter, die NS-Justiz und ich“ von Renate Reckziegel ist ein sehr persönliches Buch über ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.

Lange wusste Renate Reckziegel nichts über ihre Großmutter. Sie hat sie nie kennengelernt hat. Erst 1999 macht ihr Vater Andeutungen, dass seine Schwiegermutter im Gefängnis war. Das Interesse der Journalistin ist geweckt. Erst Jahre später macht sie sich an die Recherche. Herausgekommen ist mit „Abgeholt. Meine Großmutter, die NS-Justiz und ich“ ein persönliches Buch, das aber auch dem Außenstehenden einen Einblick in die NS-Justiz vermittelt.

Abhängigkeitsverhältnis

Was genau sich 1942 in Warmensteinach im Fichtelgebirge abgespielt hat, wird wohl nie zu 100 Prozent geklärt werden können. Fest steht jedoch, dass die Folgen für die damals 38-jährige Margarete Friedrich fatal sind: Die verwitwete Mutter von zwei kleinen Töchtern war als Landarbeiterin tätig. Der Hofbesitzer war nicht nur ihr Chef, sondern auch das Vormund der beiden Kinder – ein Abhängigkeitsverhältnis im doppelten Sinn. Außerdem lebt und arbeitet auch ein serbischer Kriegsgefangener auf dem Hof. Als Margarete Friedrich ein Kind erwartet, gerät sie in die Fänge der NS-Justiz.

Der Landarbeiterin wird vorgeworfen, dass sie verbotenerweise Umgang mit einem Kriegsgefangenen hatte. Ein schweres Vergehen zu Zeiten des Nationalsozialismus. Besonders perfide: Im Verhör gibt sie zwar zu, Geschlechtsverkehr mit dem Serben gehabt zu haben, doch sei sie dazu gezwungen worden. Doch das zählt in der NS-Justiz nicht. Angeklagte haben in diesem System kaum Rechte. Ihr wird sogar noch vorgeworfen, dass sie sich zu wenig gewehrt hat. Zwei Jahre Zuchthaus sind die harte Strafe. Auch der Kriegsgefangen wird zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

NS-Justiz nicht an Wahrheit interessiert

Wie Renate Reckziegel herausfindet, dürfte die Wahrheit jedoch ganz anders ausgehen haben. Vermutlich war der serbische Kriegsgefangene gar nicht der Vater des Kindes. Margarete Friedrich widerfährt also gleich in mehrfacher Hinsicht Unrecht: Sie wird als mutmaßliches Vergewaltigungsopfer nicht nur zur Täterin abgestempelt, sondern auch noch für etwas bestraft, dass gar nicht stattgefunden hat. Die Justiz hat sich keine Mühe gemacht, den Fall aufzuklären.

Das gnadenlose Gerichtsurteil hat weitreichende Folgen, sowohl für Margarete Friedrich wie auch für ihre beiden Kinder, die in Warmensteinach zurückbleiben. Wie hart es damals im Gefängnis zugeht, dazu gibt es einige Dokumentationen. Zwar übersteht sie die Haftzeit und kann wieder zu ihren Töchtern zurückkehren. Das Familienleben dürfte aber alles andere als harmonisch verlaufen sein, wie im „Abspann“ angedeutet wird – während die Täter meist ungestraft davon kamen.

Fazit: Eine tragische Familiengeschichte, die auch Außenstehende betroffen macht und Einblicke in die perfide NS-Justiz gibt.

Info: Der Nordbayrische Kurier berichtete über das Buch und sprach mit der Autorin:

Renate Reckziegel: Abgeholt. Meine Großmutter, die NS-Justiz und ich, Bookmundo Direct 2022

Ein deutsches Schicksal: Abgeholt. Meine Großmutter, die NS-Justiz und ich

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