Gestrandet auf einer menschenleeren Insel im rauen Südatlantik, ohne Aussicht auf Rettung: In „Herz aus Eis“ erzählt Isabelle Autissier von einem französischen Paar, dass bei einer Weltumsegelung sein Schiff verliert und auf einem verlassenen Stück Land ums Überleben kämpfen muss, aber auch um seine Beziehung.

Raus aus dem Alltag und rein ins Abenteuer: Mit einer Weltumsegelung will das französische Paar Louise und Ludovic die Freiheit genießen. Als sie im Südatlantik verbotenerweise eine für Touristen gesperrte Insel besuchen, wird aus dem Vergnügen jedoch schnell Ernst. Während des Landgangs zieht ein schweres Unwetter auf und das Schiff sinkt. Dass sie bald gerettet werden ist aussichtslos: De Insel ist unbewohnt und liegt sehr abgelegen. Trotz aller Verzweiflung und Wut beginnen sie sich in einer alten Walfangstation einzurichten und harren dort aus.

Keine geborenen Helden

Die Mühen, die diese beiden zivilisierten Franzosen in dieser Wildnis haben, ist nur ein Aspekt, den Isabelle Autissier in „Herz auf Eis“ beschreibt. Ich habe mich dabei oft bei dem Gedanken ertappt, dass ich in dieser Situation vermutlich genauso hilflos wäre. Pinguine schlachten, Robben jagen, Feuer machen und ein Schiff reparieren, solche Fähigkeiten sind in einem mitteleuropäischen Alltag selten gefragt und dementsprechend kaum vorhanden.

Sie haben die alten Stiche aus Abenteuerbüchern vor Augen, auf denen der Jäger entschlossen seine Lanze schwingt und stolz mit der an einem Stab aufgehängten Beute zurückkehrt. Aber eine Steuerbeamtin oder ein Kommunikationsmanager sind keine Pelztierjäger.

Isabelle Autissier: „Herz auf Eis“, mare verlag 2017, S. 62

Ihren Augenmerk legt die Schriftstellerin aber auch die beiden Charaktere. Sie beschreibt ihre Herkunft, ihr Kennenlernen und ihr gemeinsames Leben vor der Reise und legt die Schwachstellen frei. Während in Paris sich der unbekümmerte Ludovic und die ernsthafte Louise gut ergänzen, fallen in dieser extremen Situation die Unterschiede vor allem negativ ins Gewicht. Verständnis können sie für einander nicht mehr aufbringen und machen sie gegenseitig Vorwürfe.

Sie bewegen sich, das wissen beide, auf vermintem Gebiet, wo sie leicht in Streit geraten können: sie, die Vorsichtige, er, der Impulsive. (…) sie werden herumstreiten und sich schließlich wieder versöhnen. Das ist fast ein Ritual geworden, ein Sicherheitsventil für ihre Unterschiedlichkeit. Keiner von beiden wird sich geschlagen geben, aber sie werden, in der festen Überzeugung, selbst im Recht zu sein, einen Waffenstillstand schließen.

Isabelle Autissier: „Herz auf Eis“, mare verlag 2017, S. 16

Als die Situation mit dem Wintereinbruch immer härter wird, lässt sich der Verfall von Körper und Geist nicht mehr stoppen. Während Ludovic sich irgendwann aufgibt, beweist Louise Stärke und sucht einen Ausweg aus der Situation. Tatsächlich naht Rettung, so viel sei verraten, doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende – ein weiterer Pluspunkt des Buches. Wie schwer die Rückkehr in das „normale“ Leben ist, das wird hier eingehend geschildert.

Bei mir hinterließ das Buch einen intensiven Eindruck. Vermutlich liegt das daran, dass Isabelle Autissier als erste Frau im Rahmen einer Regatta allein die Welt umsegelte. Extreme Situation dürften ihr also bekannt sein und sie kann diese Erfahrungen gut in Worte fasse. Die Beschreibung der harten Umstände und die Einblick in die Psyche der Protagonisten geben dem ganzen reichlich Tiefe. Ein Abenteuer sollte man die Geschehnisse eigentlich nicht nennen, sondern viel mehr Drama.

Fazit: Eine klare Empfehlung, weil man sich auch so gut mit den Protagonisten identifizieren kann.

Isabelle Autissier, „Herz auf Eis“, mare verlag, 2017, 224 Seiten.

Überlebenskampf im Südatlantik: Herz auf Eis

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